So. Ich muß mir jetzt mal Luft machen. Grundsätzlich achte ich ja darauf, ausgewogen und umsichtig zu schreiben – aber manchmal geht mir die Hutschnur hoch. Ist in den letzten Tagen mehrmals passiert, und zwar wegen ein paar Memes. Blöden, halblustigen Memes, jawohl! Also Achtung, das hier wird eine saftige Schimpftirade.
Jeder weiß, wie sehr ich J. R. R. Tolkiens Welt liebe. Deshalb bekomme ich auch immer wieder mal gutgemeinte Memes zugeschickt. Solche zum Beispiel:
Haha, Der Herr der Ringe schlägt die Bibel. Haha, Elijah Wood und sein Babyface. Ja eh. Aber jetzt mal eine ganz ernstgemeinte Frage: Hat niemand von denen, die sowas erstellen und rumschicken, das Buch gelesen oder den Film gesehen? Fällt euch nichts auf?! Frodo HAT DEN RING NICHT ZERSTÖRT, verflucht nochmal!
Der Witz geht hier auf Kosten einer der zentralsten Aussagen des Werks: nämlich daß Frodo scheitert. Daß sogar Frodo von der Macht des Rings korrumpiert wird. Und daß der Ring am Ende doch noch in den Feuern der Schicksalsberges landet, nur daran liegt, daß Frodo Gollum entgegen allen besseren Wissens am Leben ließ. Der Ring wird eben nicht durch Tatkraft, Heldenmut, Durchhaltevermögen und all dieser anderen „heroischen“ Werte zerstört. Die können ihm bestenfalls kurzfristig standhalten. Es ist Barmherzigkeit, die zum Ende des Rings führt. Gnade. Frodos Demut im Anerkennen von Gandalfs Worten:
„Viele, die leben, verdienen den Tod … Und manche, die sterben verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Denn selbst die ganz Weisen können nicht alle Absichten erkennen.“ *
DIESE Einstellung führt dann nämlich doch noch zu einem glücklichen Ende. Diese Einstellung drückt sich in der Strategie aus, den Ring eben nicht einzusetzen, Sauron eben nicht in offener Schlacht anzugreifen (was sowieso von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre), sondern dem Ring zu entsagen. Diese Einstellung drückt sich dann in Memes wie diesem aus, die tatsächlich wiedergeben, worum es im Herrn der Ringe geht und weshalb dieses Buch gerade heute so wichtig ist:
Memes sind halt nicht einfach nur ein paar nette Bildchen. Nicht umsonst haben sie diesen Namen! Sie sind das kulturelle Pendant zum biologischen Gen (der Begriff Mem wurde ursprünglich von Richard Dawkins geprägt, um das Verbreiten von Informationen wie Ideen, Überzeugungen und Verhaltensmustern zu beschreiben) und sollen bestenfalls „viral“ gehen. Nicht umsonst gibt es ja auch die chaosmagische Praxis der Meme Magic.
Frodo hat seinen Auftrag erfüllt! Er hat den Ring zerstört! Laßt uns jubilieren, der Held hat gesiegt! Herrje.
Solche unbedachten Memes wie die oben sind nicht harmlos, sie sind destruktiv. Sie verdrehen und verfälschen eine heilsame Philosophie. Indem behauptet – und gedankenlos reproduziert – wird, daß Frodo den Ring zerstört hätte, wird sein Weg als etwas Heldenhaftes, Standhaftes, Unerschrockenes hingestellt, daß zum Schluß allen Widrigkeiten zum Trotz siegt (obwohl das Gegenteil der Fall ist) … und damit das Narrativ des Krieges und der Unbeugsamkeit genährt. Und das ist das Narrativ des Empire, des Kolonialismus. Es ist das Narrativ Saurons. Fast könnte man meinen, er hätte sich, wie er es mit Saruman getan hat, des Geistes jener bemächtigt, die solche Memes erstellen und unhinterfragt teilen. Und das ist gerade in Zeiten wie diesen brandgefährlich.
Und nein, das heißt im Gegenzug auch nicht, lammfromm und duldsam alles hinzunehmen, was uns so aufgetischt wird. Die neun Gefährten und ihre Unterstützer wissen sehr wohl, was auf dem Spiel steht und sind bereit, beizutragen, was sie können, um ein schlimmes Schicksal für Mittelerde abzuwenden, auch wenn es sie das Leben kostet. Alles in unserer Macht Stehende zu tun, um dann im richtigen Moment aber auch loszulassen, aufzugeben, beiseite zu treten und etwas Größeres geschehen zu lassen: DAS ist die große Kunst. Davon erzählen die wirklich außergewöhnlichen Geschichten.
Über solche Geschichten und die große Kunst der Magie spreche ich regelmäßig online im Magischen Salon. Live, kostenlos, jedes Mal zu einem neuen Thema und mit der Möglichkeit, mir Fragen zu stellen. Und eine Aufzeichnung gibt’s obendrein. Kürzlich hat es ein Teilnehmer so beschrieben:
„Für mich hat sich jeder magische Salon, an dem ich teilgenommen habe, bislang gelohnt – und man muss auch kein Magienerd oder Oberdruide sein, um zu checken, worum es inhaltlich geht:
Bernhard präsentiert seine Inhalte so genial und down to earth, dass man seinen Unterricht aus vielen verschiedenen Perspektiven und auf unterschiedlichen Ebenen erleben kann.
…Achtet bei der Teilnahme lediglich darauf, dass ihr weder die Gargoyles noch die Seepferdchendrachen mit glutenhaltigen Lebensmitteln füttert!“
Philipp-Emanuel Schetzior, Individuationstrainer, Wolkramshausen
Exakt: Wer meint, hier ginge es extra dark und edgy zu, weil Magie so zu sein hätte oder zuckersüß und mit rosa Wattebausch, weil alles Spirituelle ja ach so lieb und freundlich wäre, der täuscht sich. Wir unterhalten uns pragmatisch, schlicht und nachvollziehbar über Magie und wie du sie in deinem Leben wirken kannst.
Ja, ich bin beim Magischen Salon dabei!
Welche Geschichten nährst du? Welche nähren dich? Und womit? Möget ihr einander immer leichter erkennen, möget ihr immer mehr Freude aneinander haben.
Welche Rolle sie für eine lebenswerte Zukunft spielen – darüber habe ich Tobias Berg ein Interview gegeben:
* Der ganze Ausschnitt im Original, der Vollständigkeit halber, und weil’s auf englisch nochmal schöner ist:
„But this is terrible!“ cried Frodo. „Far worse than the worst that I imagined from your hints and warnings. O Gandalf, best of friends, what am I to do? For now I am really afraid. What am I to do? What a pity that Bilbo did not stab that vile creature, when he had a chance!“
„Pity? It was Pity that stayed his hand. Pity, and Mercy: not to strike without need. And he has been well rewarded, Frodo. Be sure that he took so little hurt from the evil, and escaped in the end, because he began his ownership of the Ring so. With Pity.“
„I am sorry,“ said Frodo. “But I am frightened; and I do not feel any pity for Gollum.“
„You have not seen him,“ Gandalf broke in.
„No, and I don’t want to,“ said Frodo. „I can’t understand you. Do you mean to say that you, and the Elves, have let him live on after all those horrible deeds? Now at any rate he is as bad as an Orc, and just an enemy. He deserves death.“
„Deserves it! I daresay he does. Many that live deserve death. And some that die deserve life. Can you give it to them? Then do not be too eager to deal out death in judgement. For even the very wise cannot see all ends. I have not much hope that Gollum can be cured before he dies, but there is a chance of it.“